Close

Storytelling in Games,Teil 1: Erzählerische Strukturen I

Diese Reihe an – teilweise sehr umfangreichen – Blogposts erwuchs aus einer Vorlesung, die ich seit 2006 an verschiedenen Hochschulstandorts in Deutschland gehalten habe, und die sich über die Jahre immer weiter entwickelt hat. Mir wurde der Vorschlag unterbreitet, daraus ein Buch zu machen, aber das ist mir, glaube ich, zu viel Heckmeck. Und der einzige, der daran was verdienen würde, wäre wahrscheinlich ohnehin der Verlag.

Um zu verstehen, wie Erzählung im Computerspiel funktioniert, ist es unverzichtbar, zunächst einmal zu untersuchen, wie Erzählung überhaupt funktioniert. Was ist es, das den Menschen für Erzählungen empfänglich macht? Warum erzählt der Mensch Geschichten?

Fundamentale Untersuchungen in dieser Richtung veröffentlichte 1949 der amerikanische Mythologe Joseph Campbell in seinem Buch „The Hero with a 1000 Faces“[1]. Später, 1993, nahm der amerikanische Drehbuchautor Christopher Vogler, in seinem sehr, viele glauben zu einflussreichen Buch „The Writer’s Journey“ expressis verbis auf Campbell Bezug[2].

Das folgende Kapitel versucht eine Zusammenfassung der beiden Arbeiten insofern sie für das Erzählen einer Geschichte bedeutsam sind, ohne sich allzu tief in die tiefenpsychologischen Schlussfolgerung vor allem Campbells zu verirren. Die Lektüre beider Bücher sei empfohlen.

Zentrale Begriffe der Erzähltheorie Campbells und Voglers sind einerseits die Archetypen, und andererseits der Monomythos.

Die Archetypen und ihre Rolle im Drama

Prämissen

Definition: Was sind „Archetypen“?

Einen Archetypus oder Archetyp (griechisch: Urbild, Mehrzahl: Archetypen) nennt man in der analytischen Psychologie psychische Strukturdominanten, die unbewusst sind und als Wirkfaktor das Bewusstsein beeinflussen, zum Beispiel indem sie dieses präfigurieren und strukturieren. Viele der Archetypen beruhen auf Urerfahrungen der Menschheit wie Geburt, Kindheit, Pubertät, ein Kind bekommen, Eltern sein, alt werden, Tod etc.

(dt. Wikipedia, Stand 28.12.2006)

Wie oben schon angedeutet, stammt die Idee der Archetypen aus der Tiefenpsychologie, genauer von C.G.Jung. Warum diese Begriffe aus der Tiefenpsychologie für das Erzählen von Geschichten bedeutsam sein sollen, erschließt sich nicht auf den ersten Blick, wird aber schnell klar, wenn man sich einmal die Frage stellt:

Was verzeihe ich als Leser dem Autor?

Wesen mit übernatürlichen Kräften

Natürlich: Superman, Spiderman, Gandalf, Harry Potter. Der literarische Kosmos ist voll mit Charakteren, die über Fähigkeiten verfügen, die in der Realität nicht erklärbar wären.

Technische Entwicklungen, die weit in der Zukunft liegen

Ein ganzes Genre basiert auf dem Prinzip, ihre Geschichten in einer technologisch weit fortgeschrittenen Welt spielen zu lassen.

Magische Artefakte oder Techniken, welche die Realität verhöhnen

Ringe der Macht? Dunkle Kristalle? Lichtschwerter?

Übernatürliche Wesen

Auch an diesen herrscht in der Literatur kein Mangel: Außerirdische, Engel, Teufel, Götter, Jedi-Ritter…

Wir können also beobachten, dass der Mensch offenbar wenige Probleme hat, eine Geschichte zu glauben, in der physikalische Unmöglichkeiten an der Tagesordnung sind. Dies ist einfach zu erklären: die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte wurden wir tagtäglich mit Phänomenen konfrontiert, die wir uns nicht logisch erklären konnten. Andererseits konnten wir es uns nicht erlauben, diese Phänomene einfach zu ignorieren. Einen Blitz konnte man nicht erklären. Sich bei Gewitter auf freiem Feld rumzutreiben war dennoch Dummheit. Also: Wir beobachten und nehmen Dinge als gegeben an, soweit sie die äußere Welt betreffen. Selbst wenn wir für einen logischen Zusammenhang eine unbekannte Macht namens Magie benötigen.

Wichtig scheint in diesem Zusammenhang nur, dass die Physik innerhalb der dargestellten Welt konsistent ist. Wenn es keine Schwerkraft gibt, dann bitte ohne Ausnahme. Wenn es Ausnahmen gibt, dann bitte mit guten Gründen. Auch Magie folgt einem inneren Regelmechanismus.

Aber auf der anderen Seite gibt es natürlich Dinge, die ich als Leser einem Autor nie verzeihe:

Was verzeihe ich als Leser dem Autor niemals?

Übernatürliche Psychologie!

Wenn ich mir die Psychologie betrachte, von der Superman, Spiderman oder auch Gandalf beseelt sind: ich werde nichts Übernatürliches in ihnen finden. Sie haben vollkommen menschliche Regungen. Alle ihre Reaktionen sind nachvollziehbar und folgen menschlichen Mustern. Und dies, obwohl Gandalf gar kein Mensch ist, sondern im tolkienschen Kosmos eine Art Engel.

Futuristische Psychologie!

Ich kenne keinen Science Fiktion, in dem für die Handelnden auch nur eines der Handlungsmuster gegenwärtiger Psychologie verschwunden wäre. Es gibt Utopien, in denen Habgier und Egoismus überwunden wurden, aber sie beziehen ihre Realität interessanterweise ja genau aus der Tatsache, dass diese Grundmuster als Überwundenes immer präsent sind. Schon, weil man ja einen Rückfall vermeiden muss. Meist ist dieser Konflikt sogar der Boden, auf dem die Handlung dieser Geschichten erst gedeiht! Denn schnell wird klar: Das angeblich Überwundene ist nur verdrängt, die angebliche Überwindung unerwünschter Gedanken geschah als Folge totalitären Drucks.

Psychologische Unmöglichkeiten!

Kann sich jemand vorstellen, ein Buch nicht sofort wieder wegzulegen, in dem der Held

–     auf eine aussichtslose Lage mit Freude reagiert?

–     auf den Verlust eines geliebten Menschen mit Gleichgültigkeit?

–     auf die Errettung eines geliebten Menschen mit Trauer?

Man kann also, wenn es um Psychologie geht, sehr kurz zusammenfassen, was der Leser dem Autor niemals verzeihen wird: un-menschliche Psychologie

Daraus leiten wir jetzt eine einfache Regel ab:

Regel:

Ich kann als Autor dem Leser eine physikalische Welt verkaufen, die nichts mit der unseren zu tun hat. Sie muss nur kohärent und vorstellbar sein.

Wenn ich dasselbe mit der psychischen Welt probiere, muss ich scheitern!

Der Mensch ist nicht Willens, einer Psychologie zu folgen, die nicht seinen Grundmustern entspricht. Seine inneren Mechanismen kennt der Mensch intuitiv wesentlich besser als die der äußeren Welt. Er kann sich eine Welt vorstellen, in der keine Schwerkraft herrscht. Er kann sich vielleicht eine Welt vorstellen, in der es keine Angst gibt.

Aber weil er selbst in einer Welt voller Angst lebt, gibt es in einer Welt ohne Angst für ihn keine gute Geschichte. Warum das so ist, dazu müssen wir wieder auf die Archetypen-Definition zurückgreifen:

Womit wir wieder hier wären:

Einen Archetypus oder Archetyp (griechisch: Urbild, Mehrzahl: Archetypen) nennt man in der analytischen Psychologie psychische Strukturdominanten, die unbewusst sind und als Wirkfaktor das Bewusstsein beeinflussen, zum Beispiel indem sie dieses präfigurieren und strukturieren. Viele der Archetypen beruhen auf Urerfahrungen der Menschheit wie Geburt, Kindheit, Pubertät, ein Kind bekommen, Eltern sein, alt werden, Tod etc.

(dt. Wikipedia, Stand 28.12.2006)

Oder, stark vereinfacht:

Der Mensch hat Angst vor dem Unbekannten, weil er dort die Verstecke des Leoparden nicht kennt.

Bei sich zu Hause kennt er jeden Stein, jeden Baum, jedes Versteck. Er sieht eine Gefahr, bevor diese dicht genug heran ist. Er wird von anderen Mitgliedern des Stammes geschützt und, falls er sich verletzt, gepflegt.

Und er würde niemandem glauben, der behauptet, das sei ihm egal!

Klar gibt es die Draufgänger, aber jeder weiß, dass die entweder zu dumm sind, sich Gefahr vorzustellen – oder ihren Grund verloren haben zu leben. Doch ganz tief drinnen gibt es auch bei denen noch die Angst.

Sein Dorf, seinen Stamm, seine Familie zu verlassen war schon immer eine gefährliche Unternehmung, die keiner gerne auf sich nahm.

Denn da draußen kann jede Verletzung tödlich sein, jeder Schritt in eine Falle führen, jede Begegnung mit anderen Menschen das Ende der Reise bedeuten. Warum also sollte man den Schutz des eigenen Stammes verlassen?

Aber wenn der Schamane aufsteht…

…und behauptet, der Regengott habe zu ihm gesprochen. Und um die Dürre zu beenden müsstest ausgerechnet DU den Regengott finden und ihm das Blut des Spinnenmannes bringen:

Dann gehst Du! Auch, wenn Du keine Ahnung hast, wo du den Regengott findest! Oder den Spinnenmann! Oder wer die beiden überhaupt sind.

Denn du hast eine Motivation: Deinen Stamm vor der Dürre zu retten, auch wenn es deinen Tod bedeutet. Warum du? Warum nicht andere? Nun: Du hast gerade Bekanntschaft mit dem Archetypus „Herold“ gemacht! Und in dir gibt es einen Schatten (der nächste Archetyp), der dich zu dieser Reise prädestiniert. Was der Schamane, der dich seit deiner Geburt kennt und mit Sicherheit der beste Psychologe im Stamm ist, genau spürt.

Was also sind Archetypen?

Der Begriff Archetyp beschreibt psychologische Grundstrukturen, denen im Alltag verschiedene menschliche Verhaltensmuster folgen. Denn am Boden einer Geschichte ruht immer eine bestimmte (und vorher beinahe vollständig festgelegte) Abfolge psychischer Zustände. Da die Psyche eines Menschen allerdings auch einer gewissen Massenträgheit unterliegt – ein Mensch benötigt einen äußeren Impuls, um von einem Zustand in den anderen Zustand zu gelangen – benötigt eine Geschichte auch eine Anzahl Auslöser, damit sich der Held überhaupt vom einen Zustand in den nächsten bequemt. Diese Auslöser lassen sich, je nachdem was für eine Wirkung sie haben, kategorisieren: Das Ergebnis sind die Archetypen. Alles, was in einer Geschichte eine bestimmte auslösende Funktion einnimmt, erfüllt also die Funktion dieser Archetypen.

Sie sind also:

  • Repräsentanten menschlicher Urerfahrungen und -ängste
  • Psychologische Grundstrukturen, innerhalb derer ein Mensch Verhalten begreifen kann
  • Psychologische Grundstrukturen, innerhalb derer ein Mensch sich selbst verhält
  • Und erst DADURCH werden sie Funktionen innerhalb einer Geschichte

Oder zusammengefasst:

Archetypen erfüllen innerhalb einer Geschichte psychologische und – eng damit verwoben – dramaturgische Funktionen!

Sie beruhen auf Menschheitserfahrungen und sind allgemein und Kultur übergreifend gültig.

Und, um direkt ganz klar zu machen, was Archetypen nicht sind:

Was sind Archetypen nicht?

  1. Stereotypen und Abziehbilder
  2. Charaktere

Archetypen sind also keine Charaktere, sondern Funktionen, die unter anderem von Charakteren übernommen werden können. Sie sind vor allem auch keine Abziehbilder, die wir auf irgendwelche Charaktere kleben. Der Mentor ist nicht immer der weißbärtige Opi, der dann das Lichtschwert aus der Schublade holt und sich als Jediritter entpuppt! Der Mentor kann jede äußere Form, jeden Charakter, jedes Geschlecht annehmen. Er braucht noch nicht einmal eine physikalische Form. Er kann ein Gedanke sein, ein Musikstück, das der Held hört, ein Geschmack auf der Zunge, ein ungutes Gefühl.

Wenn irgendwer oder irgendetwas die Funktion eines Archetyps übernimmt, heißt das damit auch nicht, dass es, er oder sie diese Funktion bis zum Ende der Geschichte übernimmt! Viele Mentoren werden später zu Schatten oder Schwellenhütern. Wer hat nicht irgendwann im Leben mal das Gefühl gehabt, dass der Lehrer, den man eben noch verehrt hat, womöglich doch viel beschränkter ist, als man glaubte? Worauf das dringende Bedürfnis entsteht, über diesen Lehrer hinauszuwachsen. Leider passt man dann nicht mehr so auf – und verhaut die nächste Klausur. Plötzlich ist der Lehrer also kein Mentor mehr – sondern ein Schwellenhüter. Lehrer sind überhaupt meist beides.

Man muss es also vermeiden, sich Archetypen als Charaktere zu denken! Das ganze Konzept der Archetypen im Storytelling birgt die Gefahr, dass aus Archetypen Stereotypen werden. Wenn man sich des Unterschiedes zwischen Funktion und Charakter nicht immer klar ist, liegen hier die häufigsten Gründe, warum eine Geschichte scheitert.

Im Extremfall ist also eine Geschichte denkbar, in der, außer dem Helden, nicht ein einziger anderer Charakter auftaucht. Dennoch werden wir in jeder Story, die als Story funktioniert, alle wichtigen Archetypen vorfinden, denn irgendetwas bugsiert den Helden immer vom einen psychischen Zustand in den nächsten.

Die Archetypen

Welche Archetypen kennen wir?

Zahlreiche, die wir hier nicht alle behandeln können. Die Wichtigsten nach C. Vogler[3] sind:

  • Held
  • Mentor
  • Schwellenhüter
  • Herold
  • Gestaltwandler
  • Schatten
  • Trickster

Wenn wir die Archetypen jetzt durchgehen, unterscheiden wir nach psychologischer und dramaturgischer Funktion der Archetypen. Außerdem werde ich versuchen, bei jedem Archetyp eine Idee davon zu vermitteln, wie vielfältig dieser Archetyp auftreten kann.

Der Held

Psychologische Funktion des Archetypus „Held“

Der Held ist das, was in der Psychologie als das „Ich“ bezeichnet wird.

Er ist also sowohl etwas ganz besonderes, als auch jeder, weil jeder gerne der Held ist. Eine Geschichte, in der ich mich nicht mit dem Helden identifizieren kann, ist für mich keine gute Geschichte

Er ist aber auch das tiefenpsychologische Ego, das sich von seiner Familie, Gruppe, Stamm bewusst als getrennt und einzigartig wahrnimmt.

Das heißt: ich spüre Defizite, weil ich mich von der Gruppe unterscheide. Sie will Dinge, die ich nicht will. Und umgekehrt. Die Familie, Gruppe, Stamm ist sowohl Segen, als auch Fluch, Schutz als auch Einschränkung, Hindernis und Motivation.

Der Held steht also für die oft widersprüchliche Suche nach sowohl eigener Identität als auch Gesamtheit.

Kein Mensch ist rundherum glücklich. Jedem fehlt irgendetwas. Je nachdem, wie schwer dieser Mangel wiegt, wird es für mich notwendig, meine alte Welt zu verlassen und das Fehlende zu suchen. Dies ist eine Lebenssituation, die beinahe jeder erwachsene Mensch kennt. Man könnte sogar behaupten: erst, wer mindestens eine solche Situation kennen- und bestehen gelernt hat, ist wirklich erwachsen.

Dramaturgische Funktion des Archetypus „Held“

Der Held ist das Fenster zur Geschichte. Er bietet Zugang und Perspektive zum Geschehen.

Selbst wenn wir es mit einem auktorialen Erzähler zu tun kriegen (also einem alles wissenden, neutralen Erzähler), wird er immer wieder die Perspektive des Helden klar machen müssen, weil die Geschichte sonst ganz schnell nicht mehr nachvollziehbar ist.

Er ist Identifikationsobjekt für das Publikum.

Selbst bei Helden, deren Handlungen uns nicht gefallen: wir verstehen sie und leiden mit. Denn sie versuchen ja, gut zu sein. Es gelingt ihnen nur nicht. Wer würde das aus seinem täglichen Leben nicht kennen?

Er muss also lebensecht sein. Ein fehlerfreier Held lädt nicht zur Identifikation ein: Niemand mag den Klassenstreber, der in allen Fächern gut ist, selbst in Sport, und dann auch noch die schönsten Mädchen abkriegt und sich als perfekter, charakterfester Freund erweist. Ich will mich zumindest auf einem Feld als überlegen erweisen!

Er braucht also Stärken, damit wir ihn bewundern, und Schwächen, damit wir ihn lieben können.

Selbst Grenouille, der Massenmörder aus „Das Parfüm“, hat eine herausragende Stärke, für die wir ihn bewundern: seinen absoluten Geruchssinn. Und wir verstehen, dass er diese Stärke zu einem Ziel führen muss. Und deshalb hoffen wir, dass es ihm gelingt, das Parfüm herzustellen, das ihm vorschwebt. Auch wenn wir seine Mittel und seine Gewissenlosigkeit kaum gutheißen können.

Aber genau wegen dieser Mängel fühlen wir auch mit ihm. Er muss am Ende sterben, damit die Welt wieder ins Lot gerät. Auf dieses Ende steuert er unaufhaltsam zu, und es tut uns weh, ihm dabei zuzusehen. Denn wir alle kennen dieses Gefühl: dass man weiß, man macht etwas wirklich falsch, und kann dennoch nichts dagegen tun, weil der Trieb in einem zu groß ist.

Wir sehen also, dass der Held in seiner Struktur und Funktion das Ego mit allen seinen Facetten auszudrücken hat: Stärken, Schwächen, Triebunterdrückung, Triebstau und -ausbruch, Selbstbeherrschung und deren Mangel, Selbsterkenntnis und deren Mangel und und und.

Je nachdem, welchen Charakter, welche Mängel und welche Stärken der Held von seinem Autor erhält, wird er in der Geschichte auch anders funktionieren. Die wichtigsten Ausprägungen des Helden sind die Folgenden:

Draufgänger

Diesem Heldentyp mangelt es oft an Vorstellungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein. Seine große Stärke (und auch seine größte Schwäche) ist die Angstfreiheit. Er wird typischerweise wenig Probleme damit haben, ins Abenteuer zu ziehen. Aber er wird schnell lernen müssen, dass eine gewisse Vorsicht lebensverlängernd wirkt. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Begleiter.

Held wider Willen

Er ist entweder der ängstliche Typ, oder ein ehemaliger Draufgänger, der seine Lektion wirklich gelernt hat. Oft trägt er entsprechende äußere und innere Narben, steht dem Abenteuer anfangs komplett ablehnend gegenüber und braucht fast schon erpresserischen Druck, um sich aufzumachen

Antiheld

Er ist von starken Fehlern behaftet, die über das übliche Maß hinausgehen. Oft steht er von Anfang an auf der falschen Seite, verfolgt zynische, eigennützige Ziele. Man weiß aber, dass in dieser rauen Schale eigentlich nur ein enttäuschter guter Kern steckt. Und dieser Kern ist sichtbar oder fühlbar noch am leben: man kann es sehen, wenn der Held uneigennützig einem Kind hilft, zärtlich zu seiner Frau ist, wie auch immer. Der Begriff Antiheld ist eigentlich unglücklich, da solche Typen natürlich die viel größeren Helden sind, die es am Ende schaffen, ihre eigenen Mängel zu besiegen.

Es gibt aber auch den rundheraus unsympathischen Antihelden, wie beispielsweise Macbeth, Scarface in „Der Pate“ etc. In diesem Fall handelt es sich eher um den klassischen Helden einer Tragödie: ein Mensch, der seinen Mangel nicht überwinden kann und deshalb scheitert. Ihr Untergang wird von uns vielleicht nicht mit Sympathie begleitet, aber dennoch strahlt ihre Geschichte eine faszinierende Wahrheit aus: es gab sicher Situationen im eigenen Leben, da hätte es einen selbst erwischen können, wenn man sich nicht im letzten Moment besser besonnen hätte. Vielleicht kam man sich damals schwach vor, aber besser schwach als tot.

Und manchmal gibt es Situationen, in denen gibt es kein richtiges Verhalten mehr. Alles, was man tut, ist falsch. Und deshalb tut man, was man für das am wenigsten falsche hält. Auch, wenn der Leser vielleicht anderer Meinung ist. Und auch, wenn es einen das Leben kostet.

Gemeinschaftsorientierter Held

Dies dürfte der früheste Heldentyp überhaupt sein: der Krieger, der seinen Stamm verlässt, um ganz alleine einen Mangel zu beseitigen, unter dem der Stamm leidet. Er stellt sein eigenes Schicksal hinten an, um den Fortbestand seiner Sippe zu sichern.

Auch hier unterscheiden sich zwei Typen: der Held, der nach vollbrachter Arbeit wieder zu seiner Sippe zurückkehrt – und dann der Held, der nach vollbrachter Arbeit in der Wildnis bleibt. In der abendländischen Literatur überwiegt der erste Typus. In fernöstlichen und indianischen Mythen der zweite.

Einzelgänger

Der klassische Westerntypus ist der Einzelgänger. Er bedeutet die Umkehrung des gemeinschaftsorientierten Helden. Wo dieser in der Gemeinschaft steht, aus ihr heraus aufbricht und dann zurückkehrt, steht jener schon zu Beginn außerhalb der Gemeinschaft, tritt in die Gemeinschaft ein um sie zu retten – und reitet anschließend wieder in den Sonnenuntergang, sprich ins Dunkle der Einsamkeit.

Andere Erscheinungsformen dieses Typus sind der Privatdetektiv oder der Einsiedler. In einer Variante gibt es natürlich auch das „Happy End“: der Einsiedler kehrt in die Gemeinschaft zurück. Ein jüngeres Beispiel dafür kann man in „Elisabethtown“ sehen, wo der von Orlando Bloom gespielte Einzelgänger mit ernsthaften Selbstmordabsichten aus der Wildnis und Einsamkeit des Design-Karrieristen in seine Familie zurückkehrt, um seinen Vater zu beerdigen – und am Ende sich selbst auf den Weg macht, eine Familie zu gründen.

Es gibt hier eine interessante Umkehrung der Begriffe Einsiedelei und Gemeinschaft: der Einsiedler lebt und arbeitet in der Metropole in einer Firma mit hunderten oder tausenden Angestellten. Seine Einsiedelei endet in der Kleinstadt, in der schon ein fremdes Auto sofort von jedem bemerkt wird.

Katalysator

Es gibt eine Regel, dass der Held diejenige Figur ist, die im Laufe einer Geschichte die größte Entwicklung durchmacht. Aber es gibt keine Regel ohne Ausnahme, und die Ausnahme bei den Heldenausprägungen bezeichnet man als Katalysator.

Der Katalysator ist der Held, der durch sein Erscheinen vor allem Entwicklungen bei anderen Charakteren der Geschichte auslöst, weniger sich selbst entwickelt.

Charlie Chaplin ist in den meisten seiner frühen Filme so ein Katalysator. Überhaupt lebt die Slapstickkomödie eigentlich davon, dass ein durch nichts zu verändernder Held alles durcheinander bringt und dadurch aber gerade die falsche Welt, die er betreten hat, wieder in Ordnung bringt, ohne sich dabei selbst zu verändern.

Seine Aufgabe ist es also eher, der Welt, die er betritt, den Spiegel vorzuhalten und sie dadurch zur Selbsterkenntnis zu zwingen.

Einer der bedeutendsten und weltweit bekanntesten Katalysatoren der deutschen Literatur trägt diesen Spiegel sogar im Namen. Er ist das Urbild des Narren. Da der Weise im Spiegel einen Narren sieht (sonst wäre er nicht weise), heißt er Eulenspiegel. Denn Eulen sind das Symbol der Weisheit. Andere solche Katalysatoren hören auf die Namen Schweijk, Simplizissimus, Buster Keaton, Forrest Gump etc…

Wenn wir aber von der Reinform des Katalysators absehen, gilt für alle Helden: sie machen eine Entwicklung durch. Und damit diese Entwicklung äußerlich verständlich und sichtbar bleibt, benötigen wir in einer Geschichte noch andere Archetypen als den Helden. (Noch einmal: das heißt nicht, dass wir auch weitere Charaktere brauchen!) Denn von irgendwoher muss der Anstoß zur Veränderung ja kommen. Die wichtigste Archetype in diesem Zusammenhang ist oft der Mentor.

Der Mentor

Psychologische Funktion des Archetypus „Mentor“

Der Mentor steht für alles, was in uns gut, heil und weise ist. Er ist Gewissen, Ziel, Lehrer, alles in einem. Er steht für alle guten Einflüsse, denen wir je ausgesetzt waren, alle positiven Motivationen, alle Vorbilder.

Er steht für unsere höheren Ziele. So wie der Mentor ist, wären wir auch gerne: weise, lebensklug, über unsere Affekte erhaben. Er ist eng mit dem Bild der Eltern verwandt, das wir als Kinder hatten. Für ein Kind sind die Eltern perfekt in allem, was sie tun. Sie sind die großen Vorbilder. Erst die Pubertät liefert den Kindern den Blick für die Risse und Widersprüche.

Er ist der Engel auf der rechten Schulter. Er ist unser Gewissen, er gibt die wichtigen und richtigen Ratschläge. Manchmal ist er aber auch der Teufel über der linken. Denn auch ein Gewissen kann irren, vernagelt sein, falsche Ratschläge geben.

Dramaturgische Funktion des Archetypus „Mentor“

Er ist der Lehrer, der den Helden auf seine Aufgabe vorbereitet. Er ist der Gabenbringer, der dem Helden entscheidende Werkzeuge zusteckt: das magische Artefakt, Geld, einen Segen, ein Lichtschwert…

Er ist das Gewissen des Helden, der moralische Orientierung bietet und den Helden die höheren Ziele im Blick behalten lässt.

Er liefert häufig die Motivation und die ersten Aufgaben…

Der weise Mann, die weise Frau

Obi Wan Kenobi erfüllt die Funktion des Mentors, genauso wie Gandalf und zahllose andere, weißbärtige, alte Männer – und natürlich auch alte Frauen. Im Märchen ist dies oft die arme Alte, die ein schweres Bündel Holz nach Hause buckelt, einen Haufen Wäsche zu erledigen oder andere unangenehme Arbeiten vor sich hat und sich, nachdem der Held ihr uneigennützig geholfen hat, als die gute Fee entpuppt, die dem Helden drei Wünsche freigibt (worauf er den ersten versemmelt, den zweiten benutzt, um den Schaden durch den ersten wieder gutzumachen, und den dritten…ja, der ist dann die eigentliche Geschichte).

Man kann ziemlich sicher davon ausgehen, dass der weise Mann oder die weise Frau in einem Märchen. Selbst, wenn diese Geschichten jüngeren Datums sind, wie die Star Wars Saga. Sie sind beinahe hinreichende Kennzeichen für ein Märchen – und stehen deshalb natürlich unter heftigem Klischeeverdacht. Märchen fangen übrigens immer mit dem Satz „Es war einmal…“ an. Das ist der Genreausweis und gilt auch umgekehrt. Wenn etwas mit „Es war einmal…“ anfängt, dann ist es ein Märchen.

Erinnert sich jemand an den Anfang von „Inglorious Basterds“?

Dunkle Mentoren

Es gibt natürlich auch dunkle Mentoren, die darauf aus sind, den Helden in die Irre zu führen. Darth Vader ist eines der herausragendsten Beispiele. Ein anderes ist sicher Hannibal Lector, der Jodie Foster hilft, einen Serienkiller zu fangen. Er versucht zwar nicht, Jodie Foster in die Irre zu führen, aber er bringt Foster bei, wie ein Serienkiller zu denken. Dies hilft ihr einerseits, einen solchen zur Strecke zu bringen, andererseits möchte man die dafür notwendigen Lektionen nicht unbedingt als herausragende Beispiele moralischer Integrität verstanden wissen.

Und manchmal sind Gegenstände dunkle Mentoren. Lassen Sie uns über Ringe reden…

Gebrochene Mentoren

So wie es den Helden wider Willen gibt, gibt es auch den Lehrer wider Willen. Oft sind dies Charaktere, die aus früherer Zeit eine furchtbare Last mit sich herumtragen. Sei es, weil einer ihrer Schüler ums Leben gekommen ist, irgendeiner sein Wissen missbraucht hat (Yoda) oder weil er im Schüler neben seinen Talenten auch Mängel entdeckt, die ihn als Schüler normalerweise ausschließen (Clint Eastwood in „Million Dollar Baby“).

Wichtig ist, dass die Ablehnung im Mentor selbst begründet liegt. Es muss ein Mangel in der Persönlichkeit des Mentors selbst vorliegen, weniger im abgelehnten Schüler. Der angebliche Mangel im Schüler ist für den Lehrer nur vorgeschoben (kann aber dennoch zum Schatten des Schülers werden).

Eine andere Form des gebrochenen Mentors stellt sich Melvin Udall (Jack Nicholson) in Form der Kellnerin Carol Connelly (Hellen Hunt) in der Komödie „As good as it gets“ entgegen. Sie ist selbst eine Frau, die eigentlich dringend Hilfe benötigt. Sie hat einen chronisch kranken Sohn, so gut wie kein Geld, ihn angemessen behandeln zu lassen, und in Udall den widerwärtigsten Stammkunden, den man sich vorstellen kann.

Sie hält ihr Leben mit Mühe und Not zusammen. Aber gerade dadurch wird sie zu einem wichtigen Mentor im Leben des hochgradig psychotischen, aber erfolgreichen Schriftstellers Udall. Als die Krankheit des Sohnes nicht mehr zulässt, dass sie arbeitet, macht sich Udall auf die Suche nach seinem Mentor.

Das ist natürlich eine Variation des alten Märchenmotivs der alten Frau mit dem Bündel Holz. Wobei hier Udall und Connelly jeweils des anderen Fee werden. Udall bezahlt Connelly die Behandlung ihres Sohnes – und Conelly ermöglicht Udall eine Chance, irgendwann vielleicht aus seinem Selbsthass auszubrechen. Aber ganz ehrlich: hätten Sie’s gemerkt?

Komische Mentoren

Besonders in Liebeskomödien kennt man den Typus Bester Kumpel/Beste Freundin, die ständig mit irgendwelchen cleveren, sarkastischen Kommentaren glänzen. Sie haben meist die coolen One-Liner und in der Regel genau die Probleme nicht, die der Held oder die Heldin haben: in den Falschen verliebt zu sein. Carrie Fisher spielt so eine komische Mentorin in Harry und Sally.

In einer tragischen Variante scheitert dann genau dieser komische Mentor an seinem Leben, stirbt sogar, während der Held sein Leiden überwindet und einem Happy End entgegensteuert. So geschehen in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, in dem Gareth, der für seine Freunde in Fragen des Lebensgenusses immer der Mentor war, überraschend an einem Herzinfarkt stirbt, ein Opfer, das man auf dem Altar des Hedonismus schon mal bringen muss.

Der Schamane

Der Schamane ist die Person, die in Visionen Leitbilder vermittelt, in andere Welten aufbricht und von dort Nachrichten bringt, die normalen Menschen nicht zugänglich sind. Als solcher kommt er vorwiegend natürlich in alten Mythen und Sagen vor, aber auch in neuerer Literatur. Und nicht nur im Herrn der Ringe, in denen sowohl Gandalf als auch Sauron (bzw. Der Ring) schamanistische Elemente haben, sondern beispielsweise auch in „The Matrix“: Morpheus ist ein klassischer Schamane. Ebenso übrigens, wie der Killer in Horrorfilmen eigentlich immer auch Schamane ist.

Innere Mentoren

Natürlich spielt auch das Gewissen eines Helden eine Rolle als Mentor. Genauso wie Erfahrungen, ein existierender Verhaltenscodex (auch, wenn der manchmal eher eine Richtlinie ist), Weltgesetze, sprich: alles, was aus dem Inneren des Helden als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden kann. Denn, wie oben schon mehrfach erwähnt: der Mentor ist kein Charakter, sondern eine Funktion. Eine Funktion, die eine innere Veränderung des Helden herbeiführt. Eine Veränderung, die den Helden letzten Endes dazu veranlasst, in sein Abenteuer aufzubrechen. Diese Veränderung kann von Menschen herbeigeführt werden, aber natürlich auch von Tieren, Büchern, Filmen, Erinnerungen, Gedanken und allem anderen, das oben erwähnte Veränderung bewirken kann.

Doch bevor der Held sich wirklich ins Abenteuer stürzen kann, begegnet er einem anderen Archetypus, und an diesem erweist sich, ob der Held wirklich bereit ist zum Abenteuer: Er trifft auf den Schwellenhüter.

Der Schwellenhüter

Psychologische Funktion des Archetypus „Schwellenhüter“

Schwellenhüter sind Repräsentanten ganz normaler, natürlicher Hindernisse: Krankheit, Pech, Vorurteile, schlechtes Wetter. Kurz: die etwas zu billige Ausrede, warum man etwas nicht geschafft hat. In Wahrheit hat es am Willen gefehlt.

Sie repräsentieren die „niederen“ inneren Dämonen: Neurosen, emotionale Narben, Laster, Abhängigkeiten, Selbstbeschränkungen, schlichte Bequemlichkeit. Neurosen sind hier eindeutig im Gegensatz zu Psychosen zu verstehen. Zu denen kommen wir später noch!

Dramaturgische Funktion des Archetypus „Schwellenhüter“

Die dramaturgische Funktion besteht in der Prüfung des Helden: ist er bereit für seine Reise? Will er das Abenteuer überhaupt? Ist er bereit, alles dafür zu tun?

In den meisten Geschichten überwindet der Held den Schwellenhüter. Es gibt aber auch Geschichten, in denen er schon hier scheitert. So eine ist beispielsweise Kafkas „Vor dem Gesetz“. Konsequenterweise fällt dann für den Helden der Rest des Abenteuers aus. Und auch in dieser Heldenreise liegt viel psychologische Wahrheit. Wer kennt es denn nicht aus dem alltäglichen Leben, dass man schon am ersten Schwellenhüter scheitert. Man weiß, man müsste eigentlich die Wohnung mal wieder putzen, und gerade will man anfangen, da schellt das Telefon, und danach ist die Zeit schon wieder zu knapp, weil man ja noch einkaufen muss und dann…

…ist schon wieder eine Heldenreise ausgefallen. „Wie bitte?“, werden Sie jetzt fragen. „Wohnung putzen soll eine Heldenreise sein? So dreckig ist es bei mir normalerweise nicht!“

Glaube ich Ihnen gerne, aber selbst wenn es bei Ihnen wirklich sauber ist: jeder Tag jedes Menschen birgt zahlreiche Heldenreisen. Oder zumindest viele Anfänge von Heldenreisen, denn so oft begegnen wir dann ja unserem Schatten doch nicht. Viele dieser Reisen bestreiten wir, einige nicht, und von den allermeisten merken wir gar nicht, dass es Heldenreisen sind. Im übernächsten Kapitel werde ich darauf noch näher eingehen.

Normalerweise begibt sich (in einer Story) der Held auf die Reise und überwindet den Schwellenhüter. Anpassung an den Gegner ist dabei eine der häufigsten Lösungsmöglichkeiten: der Held verkleidet sich als Feind, macht sich den Schwellenhüter zum Freund, lernt von seinen Fähigkeiten. Yoda ist so ein Schwellenhüter (klar: er ist ebenfalls Mentor). Erst, als Luke ihm folgt und von ihm einige wichtige Lektionen erlernt hat, gelingt es ihm wieder, seinen X-Wing aus dem Sumpf zu ziehen und Dagobah zu verlassen.

Die Überwindung des Schwellenhüters geht dabei oft einher mit zusätzlichen Fähigkeiten, die der Held erwirbt, indem er sich die Fähigkeiten des Schwellenhüters oder die Art seiner Überwindung aneignet. Das kann sehr subtil sein:

In den „Herr der Ringe“-Filmen (nicht aber im Buch) überschreitet Sam diese Schwelle, indem er irgendwo mitten in einem Feld stehen bleibt. Als Frodo ihn fragt, warum er nicht weiterginge, sagt er, dass er mit dem nächsten Schritt so weit von zu Hause weg wäre wie noch nie vorher. Als Frodo ihn auslacht (bzw. eher ausschmunzelt) macht er den Schritt. Und lernt dabei etwas, das ihn am Ende ans Ziel führt: einfach immer weitergehen. Nicht umdrehen. Das unterscheidet die großen Helden in den Geschichten vom großen Rest: sie sind einfach immer weiter gegangen, selbst, als sie umdrehen konnten. Später, in Ithilien, kurz bevor sie nach Mordor kommen, am Ende des zweiten der drei Filme, hält Sam über genau diese Erkenntnis einen kleinen Vortrag. Und feuert seinerseits wieder Frodo an, noch nicht aufzugeben.

Manchmal wird der Schwellenhüter gar zu einem neuen Verbündeten. Statt der drei Wünsche kommt die Fee sozusagen selbst mit. Der Flaschengeist aus Aladin und die Wunderlampe ist ein klassisches Beispiel für so einen Schwellenhüter.

Erscheinungsformen

Auch der Schwellenhüter kann natürlich in zahlreichen Erscheinungsformen auftreten. Er muss nicht immer Charakter sein. Die wichtigsten Erscheinungsformen sind:

–     als Charakter: Raubtier, Wachtposten, Türsteher, Lehrer, Stiefmutter, Bruder – jeder, der sich dem Helden in den Weg stellt

  • als Ereignis: Unwetter, Schiffbruch, Zauberbann, Scheidung, plötzliche Armut, plötzlicher Reichtum…
  • als Gegenstand: Mauer, Tür, Baum, Wüste, alles, was eine Grenze markiert
  • Allgemein: alles, was die Neurosen und minderen Schwächen des Helden herausfordert

Aber bevor der Held überhaupt zu seinem Abenteuer aufbricht, muss er erst einmal davon Kenntnis erlangen, dass erstens in seiner gewohnten Welt etwas nicht stimmt, und zweitens es sein Job ist, diesen Mangel zu beheben. Und Überbringer dieser Nachricht ist der Herold.

Der Herold

Psychologische Funktion des Archetypus „Herold“

Der Herold steht für die innere Unruhe, die Menschen befällt, wenn sie das Gefühl haben, irgendetwas in ihrem Leben stimme nicht mehr. Er steht für ein allgemeines Gespür des Verlustes oder des Mangels und, in der weiteren Folge, für den Ruf nach Veränderung.

Der Mensch merkt: die Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten, und es ist an mir, niemandem sonst, sie zu heilen.

Dramaturgische Funktion des Archetypus „Herold“

In einer Erzählung steht der Herold für die Herausforderung für den Helden. Er überbringt die schlechte Nachricht, dass die Welt des Helden bedroht ist und gleichzeitig auch die manchmal noch unerfreulichere Nachricht, dass der Held dafür zuständig ist, diese Bedrohung aus der Welt zu schaffen.

Er ist damit natürlich auch Lieferant für die Motivation des Helden, auch wenn diese zu diesem frühen Zeitpunkt oft noch nicht ausreicht, den Helden wirklich auf die Reise zu schicken.

Erscheinungsformen

Und natürlich muss auch der Herold nicht notwendigerweise in Form eines Charakters auftreten. Die Zeiten, in denen ihre Mutter Sie morgens geweckt hat, sind hoffentlich vorbei. Oft verwendete Beispiele für die Funktion des Herolds sind:

  • als Charakter: Bote, Schamane, Lehrer, ein geheimnisvolles Tier…
  • als Ereignis: Eine Nachricht, ein Todesfall, ein Unglück, Langeweile, ein Unwetter…
  • als Gegenstand: eine Zeitung, ein Erinnerungsstück, ein Bild, eine Uhr
  • Allgemein: alles, was dem Helden ankündigt, dass sein bisheriges Leben vorbei ist

Mit den bisher abgehandelten Archetypen können wir als Autor den Helden also bereits auf seine Reise schicken. Mit dem Schwellenhüter haben wir sogar schon einen potentiellen Spannungsträger in unserem Arsenal. Aber die Spannung, die er verbreitet ist nur mäßig stark, denn als Schwellenhüter ist er eine erwartbare und berechenbare Aufgabe.

Wenn es darum geht, echte Überraschungen und Wendungen in die Story einzubauen, sollten wir uns lieber auf einen anderen Archetypen verlassen: den Gestaltwandler.

Der Gestaltwandler

Psychologische Funktion des Archetypus „Gestaltwandler“

Im Gestaltwandler erfüllt sich, tiefenpsychologisch betrachtet, der Gegensatz zwischen dem männlichen und dem weiblichen Prinzip, Anima und Animus. Gesellschaftliche Konventionen oder vielleicht auch die Gene sorgen für die Unterdrückung des jeweils anderen Prinzips in den meisten Menschen. Daraus entsteht Unsicherheit, meist dem anderen Geschlecht gegenüber. Das eine Prinzip kann das andere nicht begreifen und empfindet es daher als janusköpfig und unzuverlässig.

Wenn wir den tiefenpsychologischen Ansatz nicht kaufen wollen, können wir die Sache einfacher ansiedeln. Niemand schaut einem hinter das Gesicht. Was WIRKLICH in anderen Menschen vorgeht, wissen wir nicht. Jeder hat noch eine Zweitagenda neben der, die er öffentlich zugibt. Wann immer diese Zweitagenda das Handeln eines Menschen bestimmt, wird er für andere zum Gestaltwandler.

Es ist diese Unsicherheit, die den Archetyp des Gestaltwandlers psychologisch trägt und glaubwürdig macht. Oft ist er ein Symbol für die Notwendigkeit psychischer Veränderung und Klärung. Der Gestaltwandler rührt Defizite des Helden auf und drängt ihn so zu einer Klärung dieser Defizite. Nachdem diese Defizite geklärt sind, nimmt der Gestaltwandler seine endgültige Form an: der Held kann sich jetzt sicher sein, ob es sich bei ihm um einen Freund oder einen Feind handelt. Aber auch diese Sicherheit kann natürlich eine trügerische sein. Denn wer sagt, dass es nicht noch eine dritte oder vierte Agenda gibt?

Dramaturgische Funktion des Archetypus „Gestaltwandler“

Erzählerisch nutzen wir den Gestaltwandler, um Elemente des Zweifels und der Unsicherheit in die Geschichte einzubauen. Alles, was sich um die Themen Verrat, scheinbarer Verrat und/oder überraschende Hilfe gruppiert, geschieht mit Hilfe von Gestaltwandlern.

Der Autor vollführt also eine Maskerade bestimmter Elemente der Story – und erzeugt so Unsicherheit und in deren Folge natürlich Spannung.

Ausprägungen

Gestaltwandler sind fast immer die Charaktere, bei denen man nicht weiß, ob man sich auf sie verlassen kann. Es können aber auch ambivalente oder zweideutige Nachrichten sein – oder sogar Gegenstände. In manchen alten Sagen haben Schwerter diese Funktion: sie stehen den Helden lange treu zur Seite – um sie in einem entscheidenden Moment zu verraten. Und natürlich sind auch die drei Wünsche im Märchen oft Gestaltwandler, weil ihre erwünschte Wirkung oft ausbleibt – und an ihre Stelle eine unerwünschte, furchtbare tritt.

Auch der Held kann zum Gestaltwandler werden – und damit seine Umwelt in Zweifel stürzen. Dies geht oft damit zusammen, dass der Held nur der Auslöser von Veränderungen in seiner Umwelt ist, ist aber oft auch nur ein Trick, um einen Schwellenhüter zu überwinden. Oder es gehört einfach zu seiner Reise. Let’s talk about Frodo!

Als erzählerisch bewusst eingesetztes Mittel, kann der Autor damit zu starke Verbündete dubios (und somit schwach) oder gegnerische Figuren lange als Verbündete erscheinen lassen, um sie doppelt gefährlich zu machen.

Gestaltwandler müssen aus irgendeinem Grund für den Helden attraktiv erscheinen, sei es sexuell oder durch eine besondere Fähigkeit, die dem Helden abgeht. Es ist gerade ihre Wichtigkeit für den Helden, die sie so gefährlich machen. Als Verbündete sind sie beinahe unverzichtbar, als Feinde durch ihre besondere Fähigkeit extrem gefährlich.

Da Gestaltwandler den Helden nur dann verwirren können, wenn sie mit einem echten Defizit des Helden spielen, sind viele Gestaltwandler gleichzeitig auch mit dem Schatten verbunden. Und zu dem kommen wir dann jetzt.

Der Schatten

Psychologische Funktion des Archetypus „Schatten“

Wenn der Schwellenhüter die Neurosen repräsentiert, so bildet der Schatten die tief sitzenden Traumata und Psychosen ab. Er steht für die unterdrückten Gefühle des Helden, seine Tabus, seine Urängste. Dies kann man am Beispiel Indiana Jones gut erkennen: seine Schlangenphobie ist eine typische Neurose. Sie mag gefährlich sein, aber vor allem verleiht sie Indy menschliche Züge und Komik. Der Faschismus dagegen ist die Psychose, die Indy nicht nur behindert, sondern zu vernichten droht.

Weil Spielberg sich sehr gut in den Archetypen auskennt, braucht man also nie Angst haben, dass wirklich mal eine Schlange Indy tötet. Das wäre wirklich alberne Dramaturgie…

Um bei Indy zu bleiben: dass er die ganze Zeit gegen Nazis kämpft, sagt sehr viel über sein Innerstes aus. Da er gleichzeitig den Prototypen des amerikanischen Draufgängers verkörpert, darf man dies durchaus als politischen Kommentar Spielbergs zur politischen Situation im Amerika der 30er und frühen 40er Jahre verstehen: der Faschismus hatte damals in den USA viele und prominente Befürworter, angefangen bei Charles Lindhberg und bei Henry Ford noch lange nicht aufhörend. Indy bekämpft also weniger den deutschen Faschismus. In erster Linie bannt er die faschistische Seite in der eigenen amerikanischen Seele.

Dramaturgische Funktion des Archetypus „Schatten“

Der Schatten ist DER Gegenspieler des Helden. Er ist der zentrale Konflikt, den der Held bestehen muss. Keine Geschichte ist besser als ihr Bösewicht. Das bedeutet natürlich:

  • Die absolute Bedrohung
  • Die letzte Herausforderung
  • Seine Überwindung ist das Ziel der Reise

Erscheinungsformen

Wie die meisten anderen Archetypen braucht auch der Schatten kein Charakter zu sein. Aber selbst, wenn die Geschichte einen Charakter durchgehend als Schatten definiert, kann er sogar der Held selbst sein. Beispiel: Dr. Jekyll and Mr. Hide.

Auch die Kombination Mentor/Schatten ist geläufig: Hannibal the Cannibal ist natürlich der menschliche Abgrund, in den man kaum zu blicken wagt, gleichzeitig hilft er Jody Foster aber, den Serienmörder zu verstehen. Er wirkt also ebenso als Mentor. Jodie Foster muss in diesen Abgrund blicken, um einem anderen zu entrinnen.

Dabei ist zu beachten: aus seiner eigenen Warte ist kaum ein Schatten ein Bösewicht. Er sieht vielmehr oft den Helden als Bösewicht an. Der Schatten, wenn er schon als Charakter auftritt, ist der Held seiner eigenen Geschichte, in der unser Held wiederum der Schatten ist. Er ist also nur die andere Seite derselben Münze. Und in seiner Geschichte ist er der Gute.

Dies lässt sich dramaturgisch natürlich für wunderbare Twists nutzen: wenn der Schatten sich als die verdrängte andere Seite des Helden herausstellt, die nur aus der Verdrängung heraus eine eigene Existenz gewonnen hat – und am Ende wiederum Teil des Helden wird, indem dieser in einem bizarren Selbstmordritual seine dunkle Seite tötet (und damit wieder in sich zurückdrängt). Diese Geschichte wurde in „Fight Club“ erzählt.

Aber der Schatten tritt auch als Ereignis auf: als Naturkatastrophe, Selbstmordgedanken und Todessehnsucht, oder als Schuld am Tod eines geliebten Menschen. Sie kann ein symbolischer Gegenstand sein: ein Ring, ein Kristall, ein Schatz, ein Foto, ein Video.

Oder, allgemein ausgedrückt: als Schatten fungiert alles, was die Psychosen des Helden herausfordert.

Der Trickster

Psychologische Funktion des Archetypus „Trickster“

Die Schlangen, haben wir oben festgestellt, erfüllen in den Indiana Jones-Filmen auch eine komische Funktion. Außer als Herausforderung und Prüfung fungieren sie also auch noch als Trickster. Denn ihr Anblick lässt aus dem scheinbar angstfreien Superhelden Indy einen Menschen werden, der wie das berühmte Karnickel auf die (sic!) Schlange starrt.

Und plötzlich ist Indy wieder ein Wesen von normaler Größe.

Genau dies ist die Funktion des Tricksters: Er bietet eine andere Perspektive, stutzt Übergroßes auf Normalmaß zurück und verkörpert Abstand zum Geschehen. Und vertritt damit den Humor in uns.

Dramaturgische Funktion des Archetypus „Trickster“

Dies ist auch seine dramaturgische Funktion. Wie kaum ein Archetyp richtet sich der Trickster erzählerisch direkt an den Zuschauer, Leser oder Hörer: Er liefert einen Maßstab innerhalb der Geschichte, um die Taten der anderen zu messen. Er ist der Maßstab, an dem sich übermäßige Egos messen müssen. Er liefert das Normalmaß, auf das alles zurechtgestutzt wird. Er ist Repräsentant und Maßstab der „Außenwelt“.

Und als solcher löst er Spannungen und Konflikte in Gelächter auf. Seine Aufgabe ist der „comic relief“, die „komische Erleichterung“ des Rezipienten.

„Der zählt trotzdem nur als einer!“ (Gimli in Peter Jacksons „Die Rückkehr des Königs“) Wahrscheinlich hat dieser Satz Legolas davor bewahrt, größenwahnsinnig zu werden. Jeder, der den Film gesehen hat, wird an dieser Stelle gelacht haben. Vielleicht ist es der komischste Moment der ganzen Trilogie.

Möglicherweise hatte dieser Satz die folgende Geschichte: Jackson und seine beiden Drehbuchschreiberinnen Fran Walsh und Philippa Boyens hatten diese riesige Schlacht geschrieben, gingen über das Drehbuch und merkten: das ist zuviel für den Zuschauer: das ganze Gemetzel, der Tod von Theoden, das Drama um Faramir und Denethor, im Hintergrund Frodos Gefangennahme bzw. sein scheinbarer Tod in Kankras Lauer, die wahrscheinlich gerade sterbenden Eowyn und Merry…

Ich stelle mir das ungefähr so vor:

„Wir brauchen da etwas, was die Leute auch zum Lachen bringt. War ziemlich viel Gemetzel in letzter Zeit.“

„Nun, wir haben diesen Wettbewerb zwischen Legolas und Gimli, den sie schon bei der Hornburg ausgefochten haben: wer tötet mehr Orks. Das war lustig!“

„Ja, aber den hatten wir schon!“

„Gerade deshalb: den Wettbewerb kennt das Publikum, das ist ein nettes Zitat, an das er gerne erinnert wird. Und Gimli ist sowieso immer für einen One-Liner gut. Wir müssen auf diesen Wettbewerb bloß einen draufsetzen.“

„Wie wäre es, Legolas erlegt spektakulär einen Mumakil, und Gimli besteht darauf, dass der trotzdem nur als einer zählt.“

So ungefähr wird das gewesen sein. Wichtig dabei: Gimlis Charakter bietet ihn als Träger des Tricksters sowieso an. Um diese so komisch wie möglich werden zu lassen, musste Legolas’ Heldentat so riesig und überzeichnet wie möglich daherkommen. Man kann sich vorstellen, was für einen Spaß die Jungs beim Storyboarding hatten, Legolas durch eine unglaubliche Abfolge noch viel unglaublicherer Heldentaten so aufzupumpen, dass dem Publikum minutenlang die Luft wegblieb (bei uns im Kino gab es Szenenapplaus, als Legolas schließlich elegant den Rüssel des sterbenden Mumakil hinabsurfte) – nur um Gimli dann diese Heldentat mit fünf Worten einstampfen zu lassen: „That still counts as one!“

Wer möchte ihm widersprechen?

Bis Peter Jackson das Gegenteil behauptet, darf also vermutet werden: dieser One-Liner war zuerst da. Der Trickster war als Funktion an dieser Stelle vorgesehen, um ein anderthalbstündiges Gemetzel so effektiv wie möglich in Gelächter aufzulösen. Und Jackson wusste genau, wie er dieses Gelächter maximiert – und damit das Publikum aus seiner Angststarre herausholt.

Denn genau das ist eine der wichtigsten Funktionen des Tricksters: Er sorgt dafür, dass die psychologische Last für das Publikum tragbar bleibt.

Ausprägungen

Aber der Trickster ist nicht immer der lustigste Charakter der Story. Er ist schwächer noch als alle anderen Archetypen an einen bestimmten Charakter gebunden. Wenn es auch in vielen Filmen eine bestimmte Figur gibt, der die meisten lustigen Sprüche zufallen: Trickster ist der (oder das!), was in einer bestimmten Szene den Lacher auslöst. Es gibt allerdings ein paar sehr genretypische Trickstervarianten:

Der Trickster als Held ist meist Katalysator. Man denke an die Slapstickkomödien der 20er Jahre. Laurel und Hardy entwickeln sich nicht, sind reine Katalysatoren – und natürlich übernehmen sie sehr häufig die Funktion des Tricksters.

Im Horrorfilm tritt der Trickster oft als Gestaltwandler auf. Der Junge mit den coolen One-Linern, der das Publikum immer wieder erleichtert, erweist sich am Ende als der psychopathische Massenmörder.

Berühmt ist die Rolle des Tricksters als Sidekick entweder des Helden oder des Schatten. Timon und Pumbaa als Sidekicks Simbas in „König der Löwen“ liefern dafür ein Beispiel. Aber der Trickster kann natürlich auch jede andere Funktion einnehmen: Mentor, Schwellenhüter, Herold…

Zusammenfassung

Hier noch mal eine kurze Zusammenfassung der Hauptgedanken dieses Kapitels. Sie dient als kleine Gedächtnisstütze bei der Erledigung der kleinen Aufgaben, die Sie im Anschluss an dieses Kapitel finden. Diese Aufgaben sollen zwei Zielen dienen:

Sie sollen ein Gefühl dafür bekommen, dass die in diesem Kapitel erwähnten Archetypen wirklich in jeder Story vorkommen

Sie sollen Übung darin bekommen, Strukturen innerhalb einer Story zu erkennen und eventuell innewohnende Schwächen zu identifizieren

Hier also die Kernaussagen über die Funktion der Archetypen in einer Erzählung.

  • Archetypen sind in Struktur gegossene psychologische Grunderfahrung.
  • Sie sind Funktionen, die dem Autor helfen, seine Geschichte psychologisch wahr zu halten
  • Sie sind keine Charakterfolien, Abziehbilder, Stereotypen
  • Sie können jede Form annehmen: menschlich, nicht-menschlich, gegenständlich, geistig
  • In der Bildhauerei wären sie Hammer, Meißel, und Proportionentafel, keine Gussform!

Richtig verstanden liefern Archetypen keine Abziehbilder, sondern psychische Motivation und Wahrhaftigkeit. Wenn sich ein Autor dieser Archetypen bewusst ist, wird ihm die erzählerische Grundstruktur einer Storyidee deutlicher vor Augen treten, was er dazu nutzen kann, die einzelnen Stadien, Handlungsstränge und Charaktere seiner Geschichte besser herauszuarbeiten.

Er wird nicht mehr, um auf Gimli zurückzukommen, gefühlsmäßig ein paar lockere Sprüche über das Drehbuch verteilen. Sondern er wird genau wissen, wo er den Trickster braucht, und wo der besser den Mund hält. Nichts Nervigeres als jemand, der ständig nur coole Sprüche reißt!

Aber an den Stellen, an denen er den Trickster wirklich braucht, da kann er dann alles tun, um die Wirkung dieser Funktion zu optimieren.

Archetypen begleiten den Autor als Orientierungshilfe durch die zwölf Stationen der Reise des Helden!

Weiter zu Teil 1_2


[1] New York 1949, dt. Ausgabe „Der Heros in tausend Gestalten“, Frankfurt 1953

[2] „The Writer’s Journey: Mythic Structures for Writers“, Studio City 1993

[3] a.a.O.

7 thoughts on “Storytelling in Games,Teil 1: Erzählerische Strukturen I

Leave a Reply to Marc Cancel reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Ich stimme zu.