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Alles Verkehr(t) oder was?

So ganz im Stillen hoffe ich noch, das ganze ist nur ein absurder Traum und wird heute oder morgen im Laufe des Tages als verfrühter Aprilscherz entlarvt.

Als am Samstagabend so gegen halb acht Abends die Nachricht auf SpOn erschien, dass die Vergabe des Deutschen Computerspielpreises (DCP) ab sofort nicht mehr vom Kulturstaatsminister im Kanzleramt sondern vom Bundesverkehrsministerium durchgeführt würde, musste ich zunächst mal überprüfen, nicht aus Versehen auf den Seiten des Postillon gelandet zu sein, zumal die Begründung sich sehr postillonesque anhörte: Da Verkehrsminister Dobrindt ja auch den Netzausbau in Eigenverantwortung leite, falle jetzt auch der DCP nun in seinen Zuständigkeitsbereich.

Und die Deutsche Bahn führt ab sofort Regie im Starlight-Express!

Nein, letzteres ist wirklich ein Scherz, auch wenn es so ziemlich der einzige sein dürfte, den ich bislang in den verschiedenen sozialen Netzwerken zu dem Thema noch nicht gelesen habe. Und die Hoffnung bleibt, dass dieser Irrtum vielleicht kurzfristig repariert werden kann. Bislang gab es von den Verbänden keine Stellungnahme. ’s war halt Wochenende. Die Damen und Herren Kabinettler wissen schon, wann eine solche Bombe zu platzieren ist.

Aber damit hatte es sich bislang auch: ein paar mehr oder weniger gelungene Witzeleien – und sonst nichts. Dem in der öffentlichen Wahrnehmung wichtigsten Preis, den die Branche zu vergeben hat, wird kurzerhand die Berechtigung abgesprochen, mit Kultur in Zusammenhang gebracht zu werden. Das ganze wird zur Infrastrukturmaßnahme erklärt – und die Branche macht Witzchen. Wir sind wirklich hart im Nehmen.

Um es ganz deutlich auszusprechen: Diese Umwidmung ist nicht mehr und nicht weniger als eine schallende Ohrfeige ins Gesicht der größten Unterhaltungsindustrie Deutschlands. Sie zeigt mit entlarvender Klarheit, dass alles, wofür zahlreiche Menschen in G.A.M.E. und BIU jahrelang gekämpft haben, dass selbst die offizielle und zu Recht gefeierte Anerkennung des Computerspiels als Kulturgut nichts war, das nicht im Interessengerangel einiger Karrierepolitiker kalt lächelnd in der Luft zerrissen und in Ablage P entsorgt werden konnte.

Die Frage ist, wie wir darauf reagieren werden. Die Verbände werden sicher noch ihr Bedauern ausdrücken, aber ohne dass ich mir einbildete, dort irgendeinen Einfluss zu haben: Ich hoffe, dass es deutlich mehr wird als nur ein kleiner diplomatischer Schluckauf. Die beiden großen Verbände, die wir haben, und die sich erst jüngst nicht auf eine Fusion haben einigen können, sollten sich meiner Ansicht nach in dieser Frage zusammen tun und ihr Fernbleiben von der Verleihung verkünden, wenn diese nicht wieder in die Zuständigkeit des Kulturstaatsministers zurück wandert. Denn nur da gehört sie hin. Ich weiß, dass G.A.M.E. und BIU Mitveranstalter des DCP sind. Aber der Status des Computerspiels als Kulturgut muss von unseren Interessenvertretern für unantastbar erklärt und verteidigt werden. Es wird Zeit, diese Diskussion in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Wir können sie nur gewinnen!

Aber nicht nur von den Verbänden kann ein Zeichen gesetzt werden. Die Nominierten, die großen Publisher, die sonstigen Gäste: meines Wissens nach wird in unserem Land niemand mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen, an einer Preisverleihung teilzunehmen, zumal dann nicht, wenn sie ganz offensichtlich nur eine Farce ist. Ich habe mich vor einiger Zeit hier an diesem Ort und in sehr groben Strichen über den schlechten Zustand der Industrie an und für sich ausgelassen. Ich bitte die damals von mir Attackierten: Hier könnt Ihr mich Lügen strafen und zeigen, dass Ihr Eure Verantwortung kennt und wahrnehmt! Bitte! Tut es!

Mag sein, dass wir es nicht besser verdienen. Aber das Computerspiel verdient Besseres!

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